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Die Begleithundeprüfungsfalle

geralt @ pixabay.com


Wenn die Prüfung zur Belastung wird ...

Gestern hatte ich ein interessantes, aber auch ein bisschen trauriges Erlebnis.

 

Sophie und ich trafen auf der morgendlichen Runde einen netten, älteren Herrn mit seinem knapp anderthalbjährigen Sheltie. Ein echtes Traumpaar. Herrchen stolz wie Bolle auf seinen wunderschönen, aufgeweckten und intelligenten Shetland Sheepdog (so die offizielle Bezeichnung), der Hund eine echte Kanone. Wenn er mit Sophie über die Wiesen fetzt, fliegen die Gänseblümchen nach allen Seiten. Es macht richtig Spaß, den beiden zuzusehen.

 

So war's auch gestern. Wenigstens so lange, bis ich ein bisschen Smalltalk machen wollte.

Auf die übliche Frage kam bis jetzt auch immer die übliche Antwort. Alles bestens, Hund wächst und gedeiht, im April machen wir die BH, und danach schau'n wir mal, was noch alles geht. Therapiehund vielleicht.

In der Schule oder im Seniorenheim.

Und ich war immer ein bisschen neidisch.

Wir machen sie nämlich nicht, die BH.

BH

 

 

 

 

 

Nein, nicht so einer.

BH steht für Begleithundeprüfung.

 luctheo @ pixabay.com

Die Begleithundeprüfung (BH)

Okay, wir haben auch erstmal googlen müssen, als das Zauberwort das erste Mal in der Welpengruppe fiel.

 

Laut Wikipedia ist die Begleithundeprüfung (oder Begleithundprüfung) 'eine Grundprüfung, in der der Gehorsam des Hundes und seine Verhalten in der Öffentlichkeit (z.B. beim Zusammentreffen mit Fußgängern, Joggern und Radfahrern) geprüft wird.' Die Prüfung 'besteht aus zwei Teilen: einem Teil auf dem Übungsplatz (Unterordnung) und einer Prüfung in Verkehr/Öffentlichkeit.' Und weiter: 'Die Prüfung im Unterordnungsteil erfolgt nach einem festgelegten Schema. Gefordert wird Fußgehen mit und ohne Leine, Durchgehen einer Menschengruppe, Sitzübung und Ablegen in Verbindung mit Herankommen. Eingefügt sind Wendungen, Tempowechsel und Anhalten. Außerdem muss der Hund, während ein anderes Mensch/Hund-Team seinen Unterordnungsteil absolviert, unangeleint in einer Entfernung von 30 Schritt zu seinem Hundeführer abliegen, also eine Ablage unter Ablenkung zeigen. Nach bestandenem Unterordnungsteil wird außerhalb des Hundeplatzes das sichere und freundliche Verhalten des Hunds gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern (Radfahrer, Spaziergänger, Jogger etc.) und anderen Hunden überprüft.'

Quelle: wikipedia

So viel zur Theorie.

 

Und keine Frage - wir träumen doch alle davon, dass unser Hund 'richtig gut' erzogen ist, oder?

Wir wollen, dass jeder unsere Fellnase schon auf drei Kilometer Entfernung als das erkennt, was er ist: ein echter Traumhund.

Ein Traumhund, der auf (ersten) Zuruf kommt, jedem Jogger freundlich Platz macht, Radfahrern nur verliebte Blicke hinterher wirft, anderen Spaziergängern nicht seine Pfoten auf die Oberschenkel dübelt (vor allem nicht auf hellen Hosen), zurückhaltend bis supernett zu allen anderen Tieren ist - mit einem Wort (beziehungsweise zwei): gut erzogen.

 

Und wenn man wie Helikopterfrauchen brav alle Ratgeber verschlingt, die auch nur annähernd was mit dem Thema 'Hundeerziehung vom ersten Tag an - aber richtig!' zu tun haben, ist man anfangs ja auch noch total überzeugt, dass man's hinbekommt mit der Erziehung.

Bis zum Tag X, wenn der Hund ins Haus kommt.

 

Dann zieht mit der Fellnase auch ziemlich schnell die Realität ein: der Hund kann nämlich in den seltensten Fällen lesen. Schon gar keine Ratgeber.

Und so steht man da, in der einen Hand die Anleitung, in der anderen die Leine mit Hund am anderen Ende, und versucht beides in Einklang zu bringen.

 

Der Weg führt ganz fix weg vom gedruckten Wort hin zur Hundeschule, und spätestens nach dem dritten Besuch der Welpengruppe fallen sie, die beiden Buchstaben.

 

Und kaum macht der Trainer den Mund zu (meistens mit einem bedeutungsschweren Blick auf das wuselnde Etwas, das statt einem fröhlichen 'Sitz!' gerade die Wiese umgräbt), zuckt es einem durch den Kopf: will ich auch.

Die diplomierte Perfektion auf vier Pfoten - immer ansprechbar, immer an Herrchen oder Frauchen orientiert, immer willig.

Her damit.

 

Wir haben es dann auch ein paar lange Trainingsstunden probiert, wir drei.

Dann gaben wir auf, Superhero-Herrchen und ich.

Sophie hatte gar nicht erst groß angefangen. Sie guckte sich kurz die hechelnden Labis und wedelnden Collies an, tippte sich an die lockige Stirn und ging schnüffeln.

Zusammen mit den anderen beiden Bolonka-Mädels, die auch keinen Bock auf Gehorsam hatten. 

Sophie auf dem Hundeplatz

 

 

 

 

"Bin ich hier im Zirkus, oder was?!"

Auch ein kleiner Hund braucht eine große Erziehung

Moment. Das Vorurteil, kleine Hunde ließen sich nicht erziehen (und bräuchten das auch gar nicht, weil sie ja nix Dummes anstellen können), zieht sich ja immer noch durch die breite Bevölkerung.

Ist natürlich Quatsch.

 

Nur weil sie unter zehn Kilo wiegen, sind ungezogene Teppichporsche nicht weniger lästig als ungezogene Riesenschnauzen. Sie haben die gleichen spitzen Zähne (okay, mit ein bisschen weniger Beißkraft als beispielsweise ein Rottweiler), die gleichen dreckigen Pfoten (also gut, etwas kleiner - aber das macht auf der weißen Jeans nur einen minimalen Unterschied aus) und zerren genauso an der Leine (nur für die Schultergelenke etwas weniger schädlich). Ein kleiner Kläffer ist mindestens so nervig wie ein großer. Er kann vielleicht weniger direkten Schaden anrichten, aber ob man wegen einem durchgedrehten Chihuahua oder wegen einem übergriffigen Aussie vom Freundeskreis gemieden wird, ist fast schon egal.

 

Wie gesagt, unser Wille zur Erziehung à la Begleithundeprüfung war (und ist immer noch) groß. Auch Sophie soll locker an der Leine laufen, uns brav 'bei Fuß' durch die Fußgängerzone folgen, problemlos auf einem zugewiesenen Stückchen Erde liegenbleiben, Menschen nicht einfach anspringen oder sonstwie aus der Ruhe bringen, etc. etc. etc.

Die Liste ist lang.

Und Sophie kann alles davon. Fast alles. Wirklich.

Nur nicht auf dem Hundeplatz, wo sich alle anderen Vierbeiner zum Affen machen - in ihren großen Kulleraugen.

Und wer schon mal erlebt hat, wie sein Hund innerhalb von Millisekunden alles vergisst, was man keine zwei Minuten vorher noch super hingekriegt hat, weiß, wie man sich als Versagerfrauchen fühlt.

Ich hab's wenigstens immer geschafft, erst im Auto zu heulen. Oder vor Wut aus den Ohren zu dampfen.

 

 

 

 

Da könnte man doch glatt ...

composita @ pixabay.com

Immer schön locker bleiben ...

Es wurde immer schlimmer. Wir gingen schon mit zusammengebissenen Zähnen ins Training, und danach war der Abend sowieso gelaufen. Und je angespannter wir wurden, desto weniger machte Sophie mit.

Logisch eigentlich.

Hunde haben ein wahnsinnig gutes Gespür dafür, wie Herrchen und Frauchen gerade drauf sind. Und je nervöser, wütender, verzweifelter der Mensch am anderen Ende der Leine, desto unruhiger der Hund. Genau aus diesem Grund funktioniert zum Beispiel der Rückruf nie, wenn der Hundehalter immer mehr ausrastet. Fellnase spürt, dass es Ärger gibt, und beschließt, diesem so lange wie möglich aus dem Weg zu gehen. Würden wir Menschen ja gerne genauso machen, wenn der Chef quer durchs Büro brüllt, oder?

 

Nachdem wir uns ein paar Wochen gegenseitig gequält hatten, legten wir erschöpft eine BH-Vorbereitungspause ein. Erstmal tief durchatmen, nicht nur auf die negativen Erlebnisse achten, sich nicht auf die 'Probleme' konzentrieren ... Mal wieder ein Gassi-Gang ohne 'Sitz', 'Platz', 'Bleib' alle fünf Meter. Keine Hochrechnung der Zeit bis zur nächsten Prüfung.

 

Und, was soll ich sagen? Seitdem geht's uns viel, viel besser miteinander. Klar wird jeden Tag ein paar Minuten (oder mehr) geübt. Natürlich arbeiten wir weiter dran, dass Sophie ein richtig toll erzogener Hund wird. Selbstverständlich gibt's Höhen und Tiefen auf dem Weg dahin. Aber wir haben ein lebendiges Wesen adoptiert, kein Kuscheltier mit Batterien im Popo. Wir sind selber nicht jeden Tag super drauf, wir machen Fehler (und ärgern uns darüber), wir sind mal locker drauf und mal nicht.

Und das darf Sophie auch.

Gleiches Recht für alle.

 

Endlich haben wir wieder richtig Spaß miteinander, egal ob drinnen oder draußen.

Die Begleithundeprüfung kann warten. Vielleicht probieren wir's irgendwann mal, vielleicht auch nicht. Wir sind da mittlerweile ziemlich entspannt.

Hauptsache, Sophie zeigt inner- und außerhalb des Hauses, was sie eigentlich kann. Auf dem Hundeplatz sind wir 'just for fun'.

Bichon frisé Sophie

 

 

 

 

'No more obedience!'

Ach ja, ich wollte doch noch schnell erzählen, warum mich die gestrige Begegnung ziemlich traurig gemacht hat.

 

Dieses Mal kam nämlich nicht der übliche Kommentar (siehe oben), sondern eine Wutrede. Der Hund mache nicht mehr richtig mit, vor allem nicht auf dem Hundeplatz (das kommt mir doch irgendwie bekannt vor ... ☺), er hört nicht, er folgt nicht, und 'kommst du jetzt endlich her? Hieeeer! Hieeeeeer hab ich gesagt! Sitzzzz! SITZ! Wirst du wohl  ....'

Und so weiter und so fort.

Der Sheltie bekam ordentlich akustisch Gegenwind, bitterböse Blicke und ein Zughalsband um den Hals.

Dann zogen sie davon, die beiden - in strenger 'Fuß'-Haltung mit straffer Leine.

Sophie guckte ihnen nach und dann mich an.

Ich hab ihren Blick (hoffentlich) richtig gedeutet.

 

Der Hund macht die Prüfung wahrscheinlich doch nicht im April, sagte der ältere Herr übrigens noch. Momentan muss man sich einfach so viel über ihn ärgern.

 

Schade.

Und wie sieht's bei Dir und Deiner Fellnase aus? Habt Ihr die Prüfung erfolgreich bestanden? Oder nehmt Ihr auch erstmal Druck raus?

 

Über Deinen Kommentar freuen sich wie immer

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Kommentare: 2
  • #1

    Meike (Freitag, 19 Januar 2018 09:45)

    Mein Senfhund ist eh zu alt für die BH, er kam erst mit 6 Jahren zu uns. Und ganz ehrlich, sowas hat uns nie interessiert. Wir wollen auf kein Turnier gehen, wir brauchen keine Auszeichnung an der Wand, wir möchten nicht züchten oder im Verein streng nach Vorschrift unsere Kreise drehen. Wir wollen zusammen Spaß haben. Und wir würden die Prüfung eh nicht schaffen. Das liegt nicht am Gehorsam, der ist wunderbar, das würde an den anderen Hunden liegen. Denn die finden wir oft nicht wunderbar. So ist es eben, man kann nicht alles haben. Dafür habe ich den besten Hund der Welt, der nicht jeden mögen muss und auch ohne BH eine klasse Figur macht :)

    Liebe Grüße
    Meike

  • #2

    Diana (Freitag, 19 Januar 2018 10:16)

    Für wen macht man diese Prüfung?

    Aus eigener Erfahrung kann jeder seinen Hund alles beibringen. Wenn man seinen Hund versteht. Dein Hund liest dich und reagiert auf dich. Er vertraut dir. Man muss keinen Hund anbrüllen, er erkennt, wenn du nicht begeistert bist.

    Man braucht keinen Zettel wo drauf steht ob du ein guter Hundehalter bist. Nimm deinen Hund wie er ist und macht es euch bequem. Denn dann passt sich der Hund von selber an. Wenn es dich stresst, auf Kommando deinen Hund brav zu machen. Er aber brav ist wenn es darauf ankommt... so what? Mehr braucht es doch nicht.

    Kommunikation ist alles, auch bei Mensch und Tier.

    Weiterhin viel Spaß mit eurem tollen Tier.